Shahid Kapoor im Interview: Schaut den Film ohne eine vorgefertigte Meinung

Shahid Kapoor in PADMAAVAT.

Am 27.1. um 11 Uhr wird PADMAAVAT bei den Indischen Filmtagen in Münster gezeigt und im Anschluss wird es Einiges zu erzählen geben, denn es handelt sich hier um einen der größten kommerziellen Hits des letzten Jahres, über den auch außerhalb Indiens viel berichtet wurde. Wegen monatelanger kontroverser Diskussionen, Protesten und Drohungen, sogar gegen die Stars und Filmemacher, war es schwierig Interviews mit den Hauptdarstellern des Historien-Dramas zu bekommen. Einer von Ihnen, Shahid Kapoor (HAIDER), der im Film den stolzen Rajputen-König spielt, konnte dem deutschen Bollywood-Magazin ISHQ jedoch vor dem Kinostart doch noch einige Fragen beantworten, als der Film noch „Padmavati“ heißen sollte.

 

Das ist Ihr erster Film mit Sanjay Leela Bhansali (DEVDAS), Deepika Padukone (TAMASHA) und Ranveer Singh (demnächst auf der Berlinale mit GULLY BOY), während die anderen drei schon gleich zwei gemeinsame Filme hinter sich haben. Wurden Sie von diesem etablierten Team herzlich willkommen geheißen? Gaben sie Ihnen irgendwelche Tipps?
(lacht) Ehrlich gesagt, haben wir uns sofort in die Arbeit gestürzt, als wir anfingen, den Film zu drehen. Natürlich hat dieses Team schon zuvor zusammengearbeitet und ich selbst habe auch besonders ihren letzten gemeinsamen Film – BAJIRAO MASTANI – genossen. Das war ein fantastischer Film! Es war also großartig, in Bhansalis nächstem Film besetzt zu werden und schauspielerisch wusste ich Deepika und Ranveer schon immer zu schätzen. Es war also toll, einen Film mit ihnen zusammen zu machen. Ich habe wirklich das Gefühl, dass das die beste Besetzung ist, die ein Film wie dieser haben konnte. Ich glaube, nur jemand wie Sanjay Leela Bhansali konnte einen solchen Casting Coup landen, mit drei beschäftigten Schauspielern in so einem großen Film. Um ehrlich zu sein, war es notwendig für die Geschichte von Padmavati und die Charaktere Padmavati, Maharawal Ratan Singh und Alauddin Khilji, dass Schauspieler wie wir dafür zusammen kommen.
Für eine gemütliche Begrüßung hatten wir dann gar keine Zeit. Wir sind einfach direkt zur Sache gegangen. Es war ein sehr herausfordernder Film. Alle waren vor den Dreharbeiten voller Energie und ehrgeizig loszulegen. Es war fantastisch mit allen dreien zu arbeiten, auch wenn die Erfahrung an sich unterschiedlich war. Die Arbeit mit Sanjay Sir war auf jeden Fall ein Privileg. Und es ist immer am besten, Filme mit Schauspielern zu machen, die ein bestimmtes Kaliber haben. Sie helfen dir, dein Bestes zu geben und du machst das gleiche für sie. Das ist die beste Art, Filme zu machen.

Bhansali-Filme treffen für Zuschauer aus dem Westen oft die Quintessenz eines Bollywood-Films: Sie bringen meistens etwas auf die Leinwand, das einzigartig indisch ist, es gibt Musik, Tanz, Romantik und man bekommt ein Gefühl für die Kultur des Landes. Glauben Sie, das ist nun ein guter Film, um neue Zuschauer neugierig auf das indische Kino zu machen?
Ich glaube, das ist ein Film, in den sich jeder hineinversetzen kann. Er erzählt von menschlichen Beziehungen und der Dynamik, die es zwischen Menschen gibt. Visuell und ästhetisch ist er auf internationalem Niveau, absolut extravagant. Er feiert indische Geschichte und erzählt von Charakteren, die Fundamente unserer Vergangenheit sind. Die Geschichte ist ausgesprochen besonders mit sehr einzigartigen Voraussetzungen. Es geht um einen Ehemann und eine Ehefrau, die auch König und Königin sind. Sie müssen sich einem Angreifer stellen, der sehr viel mächtiger ist als sie und er möchte die Königin für sich haben. Das an sich ist schon ein spannendes Szenario. Das bringt eine fantastische Entwicklung hervor, sobald das Drama sich entfaltet. Ich finde, das ist ein Film, den man überall hinbringen sollte und der ein weites Publikum verdient hat. Wir machen alles, was in unseren Möglichkeiten steht, um ihn an so viele Orte zu bringen wie möglich. Wir haben einen sehr breiten internationalen Kinostart und bringen den Film auch in 3D und in IMAX-Kinos heraus. Wir nutzen jedes Format, um mögliche Grenzen zu überschreiten. Der Film ist indische Geschichte, unser indisches Erbe und es ist eine wunderschöne Geschichte, die von der ganzen Welt gefeiert werden sollte.

Ich habe natürlich auch die Berichte über den Vandalismus auf den Sets verfolgt, also scheint der Stoff ja auch kontrovers zu sein für Manche. Aber soweit ich das verstehe, hatte niemand Probleme mit Ihrer Figur. Hatten Sie denn Angst nach diesen Angriffen und haben Sie versucht, diesen Rajputen-König so positiv wie möglich aussehen zu lassen?
Nein, so habe ich das ehrlich nicht gesehen. Das wäre ja eine sehr egoistische Sichtweise, denn der Film gehört uns allen. Wir haben alle sehr hart an diesem Film gearbeitet. Ja, im Moment ist viel los und ich finde es wirklich traurig. Es ist wichtig etwas zu sehen, bevor man darüber urteilt und ich habe das Gefühl, dass man hier voreilige Schlüsse zieht, ohne dass die Leute überhaupt die Gelegenheit bekommen, den Film sehen zu können. Deswegen sage ich immer: Schaut ihn Euch an! Schaut ihn ohne eine vorgefertigte Meinung. Aber leider sind die Umstände im Moment andere und ich hoffe, dass das alles geregelt wird. Ich bin mir sicher, dass es irgendeine logische Lösung geben muss, so dass der Film von allen gesehen werden kann. Ich glaube nicht, dass der Film etwas anderes macht als unsere Geschichte, unsere Kultur und unsere Menschen zu feiern. Es ist eine Ode und eine Hommage an die Legende von Padmavati. Alle drei Charaktere werden gefeiert werden. Das ist einfach diese Sorte Film.

Manche scheinen zu befürchten, dass eine Liebesgeschichte zwischen den Charakteren von Deepika und Ranveer angedeutet wird.
Aber das ist nicht wahr. Das ist einfach dieser Verdacht.

Ich weiß! Aber sie sagen das irgendwie immer wieder. Wollen Sie da nicht manchmal einfach sagen: „Beruhigt Euch doch alle mal! Deepika und ich sind das Paar im Film!“
Sie haben natürlich die Perspektive von außen und das ist auch gut so, schätze ich. (er lacht) Aber wenn man da mittendrin steckt, dann hat man eher eine Mikroperspektive, entgegen einer Makroperspektive. Es gibt sich ja jeder die Mühe, einen Film zu machen, den alle schauen können. Darauf versucht man hinzuarbeiten. Ich bin natürlich ein Schauspieler und die Filmemacher und Produzenten nehmen es natürlich eher mit dieser Diskussion auf. Ich will aber selbstverständlich auch von meiner Seite, dass der Film gezeigt werden kann. Ich denke, da gibt es auch nichts, was man als unkorrekt bezeichnen würde.

Der Film sieht atemberaubend aus, wie man das mittlerweile auch erwartet. Wie fühlt es sich an, an solchen Sets zu arbeiten und wie lange dauert es, sich mit solchen Kostümen fertig zu machen?
Es hat circa zweieinhalb bis drei Stunden gedauert in diese Kostüme zu schlüpfen, was wirklich lang ist verglichen mit der Zeit, die man für nicht-historische Filme braucht. Aber nach einiger Zeit gewöhnt man sich daran und erkennt es als Teil des Jobs an. Dann kann man sich wieder auf etwas anderes konzentrieren. Es ist wundervoll, an diesen Sets zu sein, allein schon wegen Sanjays Detailverliebtheit. Es ist überwältigend, denn er erschafft wortwörtlich eine ganze Welt für dich. Man braucht sich dann auch nicht so viel vorzustellen und das ist für einen Schauspieler wirklich sehr hilfreich, wenn man einen König aus dem 13ten Jahrhundert spielen muss. Man braucht so etwas, um sich in diese Welt hineinzuversetzen. Das ist natürlich ein riesiger Faktor. Wenn ich am Set ankam, dann wurde ich in diese andere Welt katapultiert für diese zwölf bis vierzehn Stunden, die man daran arbeitet. Als ich dann aus dem Studio kam, hieß es: Zurück in das normale Leben! Wir haben aber sozusagen alle das vergangene Jahr über in dieser Welt gelebt.

Es scheint auch viel Action im Film zu geben. Hatten Sie auch viele Kampf-Szenen und inszeniert Bhansali diese vielleicht auch anders als andere Regisseure?
Ja, es gibt Kriegs-Szenen im Film, weil das ein Teil der Geschichte ist. Natürlich gibt es da Kampf-Sequenzen, aber darüber will ich natürlich nicht zu viel verraten. Das ist eine andere Herausforderung, weil es sehr körperliche Arbeit ist. Man muss zum Beispiel sehr schwere Rüstungen tragen, obwohl wir versucht haben, möglichst leichte Materialien zu verwenden. Damit es echt aussieht, darf es aber auch nicht zu leicht sein. Es war also ziemlich schwer. (lacht) Wir hatten deshalb ein spezielles Training, um uns daran zu gewöhnen und um die Schwertkunst besser zu verstehen. Die Rajasthanis, die Rajputen und auch der König von Chittor würden auf eine spezielle Art und Weise kämpfen. Die Hintergründe der Charaktere sind unterschiedlich, also gibt es auch unterschiedliche Arten zu kämpfen. Hinzu kommt, dass die Kriegsszenen inmitten der Wüste spielen. Das war also alles extrem anstrengend und es war ein großer Spaß! Wo sonst kann ich auf einem Pferd sitzen, mit einem Schwert in meiner Hand und die Rüstung eines Königs tragen? Das hat mir also wirklich gefallen.

Sie sind jetzt ein Ehemann und Vater. Hätten Sie nicht jetzt auch Lust, solche reiferen Rollen öfter zu übernehmen?
Ich hätte nicht einmal Hemmungen, einen 75jährigen Mann zu spielen. Darum geht es doch bei der Schauspielerei. Man spielt etwas, was anders ist als man selbst – im Bezug auf die Kultur, die Sprache, das Alter, den Hintergrund oder das Verhalten. Das ist die Reise eines Schauspielers und auch das Vergnügen an dieser Arbeit, dass du da rausgeht und etwas machst, das du nicht bist. Ich wäre also total glücklich, unterschiedliche Sachen zu machen.

(Wer keine Andeutungen auf den Verlauf der Handlung lesen will, überspringt diese Frage vielleicht besser:) Um ehrlich zu sein, als ich die Legende von Padmavati las und die Geschichte der Oper, da war ich nicht sicher, ob ich den Stoff in dieser Form wirklich sehen will, weil eine Frau darin auch stark für ihre Opferbereitschaft zelebriert wird. Für mich als Deutsche ist das nur schwer nachzuvollziehen…
Ich verstehe, dass Sie da viele Vermutungen anstellen. (lacht) Wenn Sie den Film sehen und er ihnen nicht alles erklärt, wenn Sie keinen großen Mut, keine große Schönheit und Respekt vor dem bekommen, was die Figur macht, dann können Sie mich anrufen. Dann gebe ich Ihnen eine Antwort auf diese Frage. Aber ich glaube wirklich, dass Sie es verstehen werden. Solange man nicht die Kultur versteht, oder die Zeit, oder die Umstände, ist es natürlich schwierig, sich so etwas vorzustellen. Dann erscheint es einem unglaublich und unkonventionell. Aber im Kontext des Filmes, erklärt es sich von selbst.

Ihre deutschen Fans wissen Sie vor allem als romantischen Helden sehr zu schätzen, aber durch Netflix gibt es jetzt zum Beispiel auch UDTA PUNJAB und RANGOON hier zu sehen und HAIDER (Die indische Hamlet-Adaption war übrigens auch auf dem Chalo-India-Festival zu sehen.) wurde für den Fernsehsender Zee.One sogar auf Deutsch synchronisiert. Sind Sie froh, dass Ihre Fans nun auch solche Filme zu sehen bekommen?
Ich bin generell sehr glücklich, dass die Leute sich meine Filme ansehen! Ich bin jedem einzelnen von ihnen dankbar. Ich bin froh, dass Ihr in Deutschland meine Arbeit zu schätzen wisst und das ist ein sehr ermutigendes Gefühl. Ich möchte Euch nur viel Liebe schicken. Ich möchte Euch danken, dass Ihr mir eine Chance gegeben habt und dass Ihr mir Eure wertvolle Zeit schenkt. Ich bin froh, dass ich Euch etwas geben kann, das Euch gefällt. Allerdings lasse ich mich nur ungern einschränken. Ich möchte als Schauspieler nicht auf bestimmte Genres und Prototypen reduziert werden. Ich möchte da herausgehen und verschiedene Filme machen und verschiedene Seiten von mir zeigen. Wenn Leute mich gerne in Liebesgeschichten sehen, gefalle ich ihnen vielleicht auch in anderen Filmen. Wenn sie es nicht ausprobieren, woher wollen sie es wissen? Ich gehe also weiter meinen Weg und finde mich dabei selbst als Künstler und ich hoffe, alle gehen mit mir auf diese Reise. Ich gebe mein Bestes und will natürlich, dass sie daran Spaß haben.